Unruhe (1816)

Lass uns hier ein wenig ruhn am Strande
Foibos* Strahlen spielen auf dem Meere
Siehst du dort der Wimpel weiße Heere
Reis’ge Schiffe ziehn zum fernen Lande?

Ach! wie ists erhebend sich zu freuen
An des Ozeans Unendlichkeit
Kein Gedanke mehr an Maß und Räume
Ist, ein Ziel, gesteckt für unsre Träume
Es zu wähnen dürfen wir nicht scheuen
Unermesslich wie die Ewigkeit.

Wer hat ergründet
Des Meeres Grenzen
Wie fern die schäumende Woge es treibt?
Wer seine Tiefe
Wenn mutlos kehret
Des Senkbleis Schwere
Im wilden Meere
Des Ankers Rettung vergeblich bleibt.

Möchtest du nicht mit den wagenden Seglern
Kreisen auf dem unendlichen Plan?
O! ich möchte wie ein Vogel fliehen
Mit den hellen Wimpeln möcht ich ziehen
Weit, o weit wo noch kein Fußtritt schallte
Keines Menschen Stimme wiederhallte
Noch kein Schiff durchschnitt die flücht’ge Bahn

Und noch weiter, endlos ewig neu
Mich durch fremde Schöpfungen, voll Lust
Hinzuschwingen fessellos und frei,
O! das pocht, das glüht in meiner Brust.

Rastlos treibt’s mich um im engen Leben
Und zu Boden drücken Raum und Zeit
Freiheit heißt der Seele banges Streben
Und im Busen tönt’s Unendlichkeit!

Stille, stille, mein törichtes Herz
Willst du denn ewig vergebens dich sehnen?
Mit der Unmöglichkeit hadernde Tränen
Ewig vergießen in fruchtlosem Schmerz?

So manche Lust kann ja die Erde geben
So liebe Freuden jeder Augenblick
Dort stille, Herz, dein glühendheißes Beben
Es gibt des Holden ja so viel im Leben
So süße Lust und, ach! so seltnes Glück!

Denn selten nur genießt der Mensch die Freuden
Die ihn umblühn, sie schwinden ungefühlt
Sei ruhig, Herz, und lerne dich bescheiden
Gibt Phoibos heller Strahl dir keine Freuden
Der freundlich schimmernd auf der Welle spielt?

Lass uns heim vom feuchten Strande kehren
Hier zu weilen, Freund, es tut nicht wohl,
Meine Träume drücken schwer mich nieder
Aus der Ferne klingt’s wie Heimatslieder
Und die alte Unruh‘ kehret wieder
Las uns heim vom feuchten Strande kehren
Wandrer auf den Wogen, fahret wohl!

Fesseln will man uns am eignen Herde!
Unsre Sehnsucht nennt man Wahn und Traum
Und das Herz, dies kleine Klümpchen Erde
Hat doch für die ganze Schöpfung Raum!

* Beiname Apollons, des griechischen Gottes des Lichts